Donnerstag, 16. Oktober 2014

mit Händen Bilder sehen

Am 15.10.2014 fand eine Presseeinladung in den Räumen des Kunsthistorischen Museums Wien statt, anläßlich derer das bisher einzige Projekt seiner Art „Gemeinsam anders sehen!“ der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.


Nach einführenden Worten durch die Generaldirektorin des Kunsthistorischen Museums, Fr. Dr. Sabine Haag, sprach Univ.-Prof. Dr. Mathias Zirm über die Möglichkeit „mit Händen Bilder zu sehen“

Univ.-Prof. Dr. Mathias Zirm berät als Augenexperte das Projektteam des Kunsthistorischen Museums unter der Führung von Fr. Dr. Rotraut Krall.


Die Bedingung einer erfolgreichen Realisierung des vorgestellten Projektes ist die Kenntnis des Tastsinnes des Menschen, der einen Sehschwachen oder Blinden in die Lage versetzen soll, die Oberfläche einer dreidimensionalen Wiedergabe eines Bildinhaltes zu erfassen und zu interpretieren. 

Das räumliche Auflösungsvermögen des Tastsinnes ist abhängig von der Anzahl der sogenannten Tastkörperchen, die sich in unterschiedlicher Zahl an Fingern und Handflächen befinden. Die sechs unterschiedlichen Tastkörperchen, die mit Sensoren aus dem Bereich der Elektronik vergleichbar sind, haben verschiedene Funktionen. Einige sind vor allem für das räumliche Auflösungsvermögen zuständig.

Die Tastkörperchen blinder und sehbehinderter Menschen unterscheiden sich nicht in Zahl und Funktion von denen gut sehender Menschen. Sehrwohl aber ist die Verarbeitung der durch tasten entstandenen Reizmuster, verglichen mit einem Chip eines Fotoapparates, bei einem Blinden um vieles präziser.

Die Abbildung 1 weist auf die verschiedenen Formen der Tastkörperchen (sogenannte Mechanosensoren) hin, während die Abbildung 2 deren Lokalisation auf Fingern und Handflächen zeigt. Ein jedes dieser Tastkörperchen ist auf bestimmte Tastempfindungen spezialisiert und dient dem Erkennen von Oberflächenstrukturen. Ein bekanntes Beispiel ist das „Lesen“ der Braille-Schrift.



Abb. 1: Tastkörperchen (Mechanosensoren) der Haut



Abb. 2: Verteilung der Tastkörperchen (Mechanosensoren)


Ein Bild, welches eine zweidimensionale Darstellung eines bestimmten Inhaltes vermittelt, kann von einem Sehenden als dreidimensional empfunden werden, da das Gehirn des Menschen sogenannte „kognitive Funktionen“ besitzt. Das ist nichts anderes, als die Fähigkeit bereits bekannte dreidimensionale Wahrnehmungen die durch das Erinnerungsvermögen abgerufen werden können, mit dem Bildinhalt zu verknüpfen. Der Blinde bzw. hochgradig Sehbehinderte kann einen Bildinhalt nur erahnen, wenn er diesem bereits in einer dreidimensionalen Aufbereitung durch einen 3D-Drucker angeboten wird.
Die Herausforderung mit dem Tastsinn Bilder zu erkennen oder zumindest zu erahnen, ist wahrscheinlich nicht nur von der Empfindlichkeit eines „geschärften“ Tastsinnes, sondern auch von dem Vermögen das Ertastete in ein Bild umzusetzen abhängig. In dieser Situation besteht ein Vorteil für den Erblindeten gegenüber dem blind geborenen Menschen.


Zusammenfassend kann gesagt werden: Wenn von uns verstanden wird, wie subjektive Empfindungsintensität von ertasteten Details zu einem Ganzen werden können, wird der Versuch des Kunsthistorischen Museums, blinden Menschen ein Bild erkennbar zu machen, erfolgreich und für ähnliche Fragestellungen richtungweisend sein. 



Weitere Informationen
(wissenschaftliche Erklärungen, Powerpoint-Präsentation, usw.):